STRUKTUREN

STRUKTUREN
von Heinz Gappmayr
Der Reichtum an gestalterischen Möglichkeiten in der Verwendung von Streifen erschließt sich im Werk von Dominique Chapuis. Bei elementaren Strukturen spielen das Material, die Auswahl der Farben, das Format und die Breite der Streifen eine wichtige Rolle. Chapuis nimmt alles Plakative zurück. Die Werke gewinnen ihre Qualität aus der lyrischen Zartheit der Nuancen, nicht aus aggressiven Kontrasten. Sowohl bei quadratischen Formaten als auch bei Quer- und Hochformaten bevorzugt Dominique Chapuis horizontale Strukturen. Die Streifen setzen sich entweder scharf voneinander ab oder verbinden sich sfumato mit der Bildfläche. Eine ähnliche Sublimierung des Bildes wird evoziert in der Reihung von Streifen, die sich farblich nur gering voneinander unterscheiden. Chapuis geht es in ihren Werken nicht um die Gleichförmigkeit entropischer Strukturen. Sie folgt keinem Schema, sondern verleiht jedem Bild durch ihre Auseinandersetzung mit dem bildnerischen Konzept seine Individualität. So gibt es dunkle Randzonen, Streifen als Relief, Flächen mit Streifen nur in der oberen Hälfte oder Bildflächen mit nur einem breiten Querstreifen, der außerhalb des Kontexts auch als Farbfeld wahrgenommen werden kann. Ausnahmen sind im spitzen Winkel einander zulaufende Streifen.

Dass Horizontalität etwas völlig anderes ist als Vertikalität wird in den Bildern von Dominique Chapuis sichtbar. Vertikalität bedeutet Aufschwung, aber auch Unruhe und Veränderung, Horizontalität dagegen Statuarik, Weite, parmenidische Ruhe. Trotz der offenen Ränder ist das meditative Element horizontaler Strukturen bestimmend für das Bildganze.

Künstlerisch maßgebend ist auch das Material. Chapuis verwendet Transparent-papier, japanisches Papier, Wachs, Acryl, Bleistift, Pastell, Holz und Leinwand. Je nach Einsatz ermöglichen die verschiedenen Materialien Lasuren, kompakte Farbflächen, Holzkonstruktionen, Reliefs. Das bildnerische Konzept von Dominique Chapuis zielt auf die Vergegenwärtigung des Primären als Struktur und Form.
Faszinosum ist das Einfache, das zugleich als Schwierigkeit erscheinen kann in Gestaltung und Rezeption, die Abkehr vom Beliebigen, die Priorität des Faktischen der Bilder, die so und nicht anders sind. Aus dieser Entschiedenheit der Strukturen ist die Verbindung von höchst differenziertem Poetischen und Monumentalem in der Annäherung an die implizierte Ferne durch Horizontalität zu verstehen, nicht als Abstraktum oder Beschreibung, sondern unmittelbar als Bild mit immer neuen Akzenten. Das einzelne Werk unterscheidet sich von anderen Werken schon allein durch die Abweichungen der Streifenbreite. Enge und Weite erscheinen hier nicht nur als formale Qualitäten, sondern als Konstituenten einer ganz bestimmten Bildrealität, die sich der Diskursivität entzieht. Das einzelne Bild verweist auf ein allgemeines Konzept, nicht aber auf andere Bilder, als wäre es Teil einer Serie. Dem entsprechen die unterschiedlichen Formate, Rahmen und umgerahmten Arbeiten.

Chapuis bevorzugt helle oder sehr gedeckte Farben, ein lasiertes Blau, Ocker oder Violett. Sie verwendet keine Primärfarben und vermeidet damit eine koloristische Präsenz die ihrem Bestreben nach Integration der Strukturen in den Bildraum entgegengesetzt wäre. Diese Absenz von grellen Farben ist für ihr Werk von größter Bedeutung. Die Differenzierung von äußerst zurückgenommenen Farbtönen transformiert ihre Bilder ins Mentale. Präsent sind die geometrischen Strukturen, integriert in das Bildganze. Im Werk von Dominique Chapuis ist beides zugleich: Stille und die Klarheit des Kategorialen.

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